Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde: BFH lässt Revision bezüglich zumutbarer Eigenbelastung bei Krankheitskosten zu

Autoren:
Lars Petrak, Rechtsanwalt; Diplom-Wirtschaftsjurist Lukas Karrenbrock
19.06.2013

In zahlreichen jüngeren Urteilen hat der BFH den Anwendungsbereich der Vorschrift des § 33 EStG erheblich zugunsten der Steuerpflichtigen gestärkt. Dennoch erfolgt nach wie vor keine einkommensmindernde Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen, wenn die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG nicht überschritten wird. Nach der bisherigen Rechtsprechung war dies verfassungsgemäß, soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liegt.

Nach der neueren und mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BVerfG fordert jedoch das Grundgesetz, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener und realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird – unabhängig von der Höhe des jeweiligen Einkommens. Besonders deutlich wurde dies beispielsweise mit Beschluss vom 13.02.2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) zur steuerlichen Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen hervorgehoben. Hier wurde durch das BVerfG dem Gesetzgeber aufgegeben, Versicherungsbeiträge zur Krankenversicherung vollständig und unabhängig von deren Höhe steuerfrei zu belassen, soweit durch diese eine sozialhilfegleiche Versicherungsleistung abgedeckt wird. Auch der Präsident des BFH Herr Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff führt mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zu Recht aus, dass existenzielle Aufwendungen für jedermann zwangsläufig seien und das dass hierfür erforderliche Einkommen für Besteuerungszwecke schon von vornherein nicht zur Verfügung stehe. „Erst wenn das familiäre Existenzminimum gesichert ist, kann der Steuerpflichtige auf frei verfügbares Einkommen zugreifen; erst dann steht disponibles Einkommen zur Verfügung.“ (Mellinghoff in Leitgedanken des Rechts, § 174, Heidelberg 2013).

Dessen ungeachtet wurde die Verfassungskonformität der zumutbaren Belastung in mehreren finanzgerichtlichen Entscheidungen bestätigt. Überraschenderweise wurde dabei in allen Verfahren keine Revision vor dem BFH zugelassen.

Auf Beschwerde der Verfasser aus der Sozietät Dienst, Schneider & Partner GbR, Koblenz, Teil der Gruppe HLB Dr. Dienst & Partner, hat nunmehr jedoch der VI. Senat des BFH die Revision gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 06.09.2012 (4 K 1970/10) zugelassen, das Revisionsverfahren wird unter dem Aktenzeichen VI R 32/13 geführt.

Bisher haben die Finanzämter in aller Regel Einsprüche, die sich gegen die Verfassungsmäßigkeit des Abzugs der zumutbaren Eigenbelastung bei Krankheitskosten richteten, aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen gelassen. Da jetzt ein Revisionsverfahren vor dem BFH anhängig ist, besteht diesbezüglich gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO ein Rechtsanspruch. Dem Revisionsverfahren kommt insbesondere aufgrund der zunehmenden Budgetierung der gesetzlichen Krankenkassen und der damit einhergehenden verstärkten privaten Finanzierung von Krankheitskosten erhebliche Bedeutung zu.