Kapitalmarktunion in der EU – Wo steht man?

Autor:

Prof. Dr. W. Edelfried Schneider
24.05.2017, Europa Aktuell

Eines der großen Projekte der gegenwärtigen EU-Kommission, insbesondere auch von Prä-sident Juncker, ist die sog. Kapitalmarktunion (i.F. CMU); siehe dazu Schneider/Karrenbrock: Kapitalmarktunion in der EU bis 2019, WPg 19/2015, S. 1019 - 1025.

Der freie Kapitalverkehr in den europäischen Staaten ist ein wichtiger Bestandteil der wirt-schaftlichen und persönlichen Freiheiten aus den Gründungsverträgen der EU. Während die Handels- und Dienstleistungsfreiheiten seit der Implementierung des Binnenmarktes sukzes-sive ausgebaut wurden, befindet sich ein gemeinsamer Kapitalmarkt nach wie vor in den An-fängen. Die Szene wird derzeit beherrscht von den Regeln und Usancen der großen Finanz-plätze London, Frankfurt und Paris.

Die Ziele der CMU sind:

1. Durch Beseitigung von Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen einen Bin-nenmarkt für Kapital zu schaffen,

2. den Zugang zu Finanzmitteln für alle Unternehmen in Europa zu verbessern,

3. die Finanzierung der Wirtschaft zu diversifizieren und die Kosten der Kapitalaufnahme zu verringern,

4. die Vorteile von Kapitalmärkten zu maximieren, so dass sie zu wirtschaftlichem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen können,

5. KMU zu helfen, leichter Kapital aufzunehmen,

6. der EU zu helfen, Investitionen aus der ganzen Welt anzuziehen und wettbewerbsfähiger zu werden.

Im Juni diesen Jahres will die Kommission eine Bestandsaufnahme für die CMU vorlegen, den sog. mid-term review (https://ec.europa.eu/info/finance-consultations-2017-cmu-mid-term-review_en).

Für den Berufsstand von besonderer Bedeutung sind die Überlegungen und Vorschläge zur Finanzierung von Innovationen, Start-ups und privaten, nicht börsennotierten Unternehmen. Auch die Fragen der Erleichterung des Eintritts in den Kapitalmarkt eröffnen interessante Per-spektiven.

Nun ist es eine Binsenweisheit, dass ein Kapitalmarkt nicht ohne ausreichende und verständ-liche Rechnungslegung und Publizität funktioniert.

Für die Rechnungslegung sind nunmehr wieder die SME- tailored IFRS im Gespräch; ein Vorschlag, der in der zurückliegenden Debatte schon mehrfach mit dem Hinweis auf ent-scheidende Informationsnachteile abgelehnt worden war.

Sicherlich muss man aber davon ausgehen, dass die Verwendung nationaler Rechnungsle-gungsvorschriften, etwa des HGB, den Investoren aus anderen Ländern nicht ausreicht, so dass die Rechnungslegung auf Kapitalmärkten IFRS basiert sein wird. Hieran wird auch der BREXIT nichts ändern.

Die Prospektpflichten bei einer Börseneinführung oder bei späteren Kapitalmaßnahmen sind äußerst umfangreich. Die Kosten der Erstellung für Kapitalmarktprospekte sowie die daraus sich ebenso auch ergebenden Haftungsrisiken haben manches Unternehmen davon abge-schreckt, die öffentlichen Kapitalmärkte in Anspruch zu nehmen.

Nunmehr haben Accountancy Europe, die European Contact Group (ECG) und die European Group of International Accounting Networks and Associations (EGIAN) in einem Gemein-schaftsprojekt einen sog. Mock-up Prospectus vorgelegt, der einerseits die Notwendigkeiten des Kapitalmarktes abdeckt, andererseits aber den geringeren Ressourcen von SMEs entge-genkommt. Dieser Muster-Prospekt beruht auf einem tatsächlichen Fall, dem listing der schwedischen Firma Gränges AB, Stockholm, an der NASDAQ OMX, Stockholm. Hier ist es gelungen, den Prospekt von rd. 180 Seiten auf 50 Seiten zu reduzieren – angeblich ohne sub-stantiellen Informationsverlust.

Überraschend ist dies nicht; auch die Geschäftsberichte börsennotierter Unternehmen haben sich in den letzten Jahren weitgehend oftmals mehr als halbiert. Es setzt sich allgemein die Erkenntnis durch, dass im Corporate Reporting weniger mehr sein kann. Die bei Accoun-tancy Europe parallel verfolgten Anstrengungen zur Weiterentwicklung des Corporate Report-ing: The core and more concept (https://www.accountancyeurope.eu/wp-content/uploads/FEECogitoPaper_-_TheFutureofCorporateReporting.pdf sowie https://www.accountancyeurope.eu/wp-content/uploads/170322-Publication-Follow-up-paper-on-FoCR.pdf) sind ebenfalls in diese Entwicklung einzureihen.

Die speziellen Fragen der Banken und Fonds-Regulierung betreffen nur einen kleineren Teil des Berufsstandes, sollen hier aber nicht unerwähnt bleiben, genauso gut wie die Anstrengun-gen der Kommission, die FinTech-Entwicklung von Beginn an durch europaweit vereinheit-lichte Vorschriften zu erleichtern, siehe: European Parliament’s own-initiative report on Fin-Tech ((http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=COMPARL&reference=PE-597.523&format=PDF&language=EN&secondRef=01).